Chanukka, Jesus und das Licht der Welt

Die meisten Christen sind überrascht zu erfahren, dass Chanukka, das jüdische Fest der Tempelweihe, im Neuen Testament erwähnt wird.

Obwohl es – anders als Pessach oder das Laubhüttenfest – nicht in der Tora geboten ist, berichtet uns die Bibel, dass Jesus selbst dieses Fest gefeiert hat. Denn während dieses Festes war er im Tempel:

„Es war damals das Fest der Tempelweihe in Jerusalem; es war Winter. Und Jesus ging in dem Tempel umher, in der Säulenhalle Salomos.“ (Johannes 10,22–23)

Man fragt sich unweigerlich: Warum macht Johannes überhaupt auf dieses Detail aufmerksam? Und mehr noch: Warum wählte Jesus ausgerechnet ein eher wenig bekanntes Fest, um einige seiner deutlichsten Aussagen über seine Identität zu machen?

Um das zu verstehen, müssen wir zunächst die Geschichte von Chanukka selbst kennen. Erst dann erkennen wir, wie Jesus dieses Fest nutzte, um die Wahrheit des Evangeliums ins Licht zu stellen.

Wie Chanukka entstand

Die Geschichte von Chanukka führt uns zurück in die Zeit um 165 v. Chr., in die bewegten Jahre zwischen dem Alten und dem Neuen Testament. Damals herrschte ein griechischer König namens Antiochus IV. Epiphanes über Judäa. Er war fest entschlossen, den jüdischen Glauben und die jüdische Identität auszulöschen. Er verbot die Beschneidung, die Einhaltung des Sabbats und das Studium der Tora. In einer seiner bekanntesten Taten entweihte er den Tempel in Jerusalem: Er opferte ein Schwein auf dem Altar, stellte Götzenbilder in den Tempelhöfen auf und erklärte sich selbst zu einem Gott, den man verehren sollte.

Aus dieser dunklen Zeit heraus berief Gott eine Familie jüdischer Priester, die als die Makkabäer bekannt wurden. Obwohl sie zahlenmäßig weit unterlegen waren, widersetzten sie sich mit Entschlossenheit und Glauben und führten einen erfolgreichen Aufstand gegen Antiochus und sein Heer. Innerhalb von drei Jahren eroberten sie Jerusalem und den Tempel zurück. Am 25. Kislew – dem jüdischen Monat, in dem wir Chanukka feiern – weihten sie den Tempel erneut dem Dienst für den einen, wahren Gott. Daher trägt das Fest den Namen Chanukka, was „Einweihung“ oder „Widmung“ bedeutet.

Doch diese Neueinweihung ging nicht nur darum, ein Gebäude zurückzuerobern. Es ging darum, dass Gott sein Bundesvolk bewahrte. Antiochus wollte Israels Identität auslöschen, doch Gott hatte Abraham, Isaak und Jakob versprochen, dass ihre Nachkommen für immer bestehen würden:

„Und ich werde meinen Bund aufrichten zwischen mir und dir und deinen Nachkommen nach dir durch ihre Generationen zu einem ewigen Bund, um dir Gott zu sein und deinen Nachkommen nach dir.“ (1. Mose 17,7)

Das Überleben des jüdischen Volkes stand auf dem Spiel, und Gott erwies sich einmal mehr als treu. Die Neueinweihung seines Volkes spiegelte letztlich seine ursprüngliche Treue und Hingabe zu ihnen wider.

Gott erwies sich einmal mehr als treu.

Traditionen, die Licht bringen

In den Jahrhunderten danach entwickelten sich viele Traditionen rund um Chanukka. Die bekannteste ist die Geschichte vom Öl. Als die Makkabäer den Tempel reinigten, fanden sie nur einen einzigen Tagesvorrat an geweihtem Öl für die große Menora. Auf wunderbare Weise reichte dieses Öl für acht Tage.

Auch wenn dieser Bericht erst später im Talmud festgehalten wurde und nicht in den frühesten Quellen, hat er die Vorstellungskraft vieler Menschen geprägt. Daraus entwickelte sich der zentrale Brauch des Festes: das Anzünden der Chanukkia, eines neunarmigen Leuchters, der dieses Wunder von Gottes Versorgung sichtbar macht. An jedem der acht Abende wird mithilfe der mittleren Kerze, der Schamasch-Kerze, eine weitere Kerze entzündet, bis am letzten Abend alle acht Lichter brennen – als Erinnerung an die acht Tage, in denen das Öl leuchtete.

Im Laufe der Zeit kamen weitere Bräuche hinzu. Kinder spielen mit dem Dreidel, einem Kreisel mit hebräischen Buchstaben, die für den Satz stehen: „Ein großes Wunder geschah dort.“ Familien essen frittierte Speisen wie Kartoffelpuffer (Latkes) und mit Marmelade gefüllte Krapfen (Sufganiyot), die an das Wunder des Öls erinnern. Und in jüdischen Häusern auf der ganzen Welt werden Lieder wie Maoz Tzur („Fels der Zeiten“) gesungen, die von Gottes Rettung im Lauf der Geschichte erzählen.

Diese Traditionen sind in der Hebräischen Bibel nicht vorgeschrieben, doch sie verweisen auf das Wunder von Gottes Bewahrung und auf das Licht, das er schenkt. Sie helfen uns auch zu verstehen, warum Chanukka für den Dienst von Jesus einen so bedeutungsvollen Hintergrund bildete.

Jesus und Chanukka

Wenn wir über Chanukka sprechen, denken wir oft zuerst an das Wunder des Öls. Doch das Wunder der Bewahrung, für das das Öl steht, ist vielleicht noch wichtiger. Gegen alle Erwartungen bewahrte Gott sein Volk. Hätte Antiochus Erfolg gehabt und den jüdischen Glauben ausgelöscht, hätte Israels Identität verschwinden können. Und ohne das jüdische Volk gäbe es keinen Messias.

Ohne Chanukka gäbe es kein Weihnachten.

Das Wunder von Chanukka besteht darin, dass Gott sein Versprechen hielt: Die Linie Davids blieb bestehen, und der Messias konnte kommen, so wie es vorausgesagt war. Deshalb sagen wir bei Juden für Jesus oft: Ohne Chanukka gäbe es kein Weihnachten.

Viele Jahre später berichtet das Johannesevangelium, dass Jesus während Chanukka im Tempel war und in der Halle Salomos umherging. Das ist kein nebensächliches Detail. Es zeigt, dass Jesus sich bewusst mit den Themen identifizierte, für die der Tempel stand. Johannes liefert hier nicht nur einen historischen Rahmen, sondern macht deutlich, dass Jesu Identität und Auftrag eng mit Gottes Treue und mit dem geistlichen Licht verbunden sind, das Chanukka symbolisiert. Und Jesu Botschaft ging noch weiter: Er zeigte nicht nur auf Gottes Rettung und Versorgung hin, sondern offenbarte, dass er selbst deren Erfüllung ist.

Das jüdische Volk, das sich an Gottes Befreiung von Antiochus erinnerte, stellte ihm eine direkte Frage: „Wie lange willst du uns noch hinhalten? Wenn du der Christus bist, dann sag es uns offen.“ (Johannes 10,24). Sie hofften auf einen neuen Makkabäer, einen Befreier, der sie von der römischen Herrschaft erlösen würde. Doch Jesus bot etwas Größeres an.

„Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; Ich schenke ihnen das ewige Leben, und sie werden niemals umkommen. Niemand wird sie mir entreißen, denn mein Vater hat sie mir gegeben, und er ist mächtiger als alles andere. Und niemand kann sie aus der Hand des Vaters reißen. Ich und der Vater sind eins.“ (Johannes 10,27–30)

Diese Worte waren für viele schockierend. Die jüdischen Führer hatten Antiochus’ Anspruch, göttlich zu sein, zu Recht zurückgewiesen. Nun warfen sie Jesus Gotteslästerung vor, weil er seine Einheit mit dem Vater erklärte, und hoben Steine auf, um ihn zu töten (Johannes 10,31).

Jesus ist wirklich Immanuel - Gott mit uns.

Im Gegensatz zu Antiochus ist Jesus tatsächlich Immanuel, Gott mit uns. Er ist größer als der Tempel selbst (Matthäus 12,6). Er kam nicht nur, um sein Volk auf dieser Erde zu bewahren, sondern um ihnen ewiges Leben zu schenken.

Chanukka als Nachfolger von Jesus feiern

Auch wenn Chanukka in der Hebräischen Bibel nicht geboten ist: Wenn Jesus Chanukka gefeiert hat, sollten seine Nachfolger es dann nicht zumindest in Betracht ziehen?

Wenn in diesem Jahr am Abend des 14. Dezember die Sonne untergeht und Chanukka bis zum Abend des 22. Dezember gefeiert wird, lade ich dich ein, Chanukka nicht nur als jüdische Geschichte zu sehen, sondern als Teil deiner eigenen Glaubensgeschichte. Du ehrst dabei den Messias, der dieses Fest nutzte, um zu zeigen, dass er eins mit Gott ist – nicht nur in Worten, sondern durch sein ganzes Leben und Wirken.

Das Anzünden einer Chanukkia zu Hause kann zu einer Familienandacht werden. Jede Kerze erinnert uns an Jesus, das Licht der Welt. Texte aus Johannes 10 oder Jesaja 9 im Schein der Kerzen zu lesen, vertieft diese Verbindung. Familien können auch für jüdische Freunde und Nachbarn beten und Gott bitten, dass dieses Licht des Lebens auch ihre Herzen erreicht.

Es kann ebenso bereichernd sein, sich an der Freude der Tradition zu beteiligen. Latkes oder Sufganiyot mit jüdischen Nachbarn zu teilen oder gemeinsam das einfache Dreidel-Spiel zu lernen, öffnet ganz natürliche Türen für Begegnung und Freundschaft. Kleine Gesten der Aufmerksamkeit oder liebevolle Geschenke zeigen echten Respekt und echte Liebe.

Und wenn sich Gespräche ergeben, weist Chanukka selbst auf Jesus hin. Man kann behutsam erwähnen, dass Jesus Chanukka gefeiert hat, wie es im Johannesevangelium berichtet wird. Oder darüber sprechen, wie Gott sein Volk bewahrt hat, damit der Messias kommen konnte, und fragen, ob jemand Gottes bewahrende Hand im eigenen Leben erlebt hat. Oder man denkt über die Schamasch-Kerze nach – die dienende Kerze, die alle anderen entzündet – und darüber, wie sie an Jesus erinnert. Es geht dabei nicht um Diskussionen, die man gewinnen muss, sondern um Gespräche, die Neugier wecken und Samen säen.

Das größere Wunder

Im Kern erinnert Chanukka an Gottes Macht, sein Volk zu bewahren, während Weihnachten Gottes Gegenwart bei seinem Volk feiert. Beides findet seine Erfüllung in Jesus, dem Licht der Welt, dem treuen Hirten, Immanuel.

In dieser Zeit, wenn jüdische Familien ihre Chanukkia anzünden und Christen ihre Adventskerzen entzünden, dürfen wir die gemeinsame Hoffnung erkennen, die in beiden Festen leuchtet. Gott hält seine Versprechen. Er ist in Jesus zu uns gekommen, und in ihm haben wir ewiges Leben. „Steh auf und leuchte! Denn dein Licht ist gekommen und die Herrlichkeit des Herrn erstrahlt über dir.“ (Jesaja 60,1)

Unser Glaube ist im Bund Gottes mit Israel verwurzelt. Die Geschichte Jesu ist untrennbar mit der Geschichte des jüdischen Volkes verbunden. Chanukka ruft uns dazu auf, auch heute Lichtträger zu sein. So wie die Makkabäer sich weigerten, ihren Glauben angesichts der Finsternis aufzugeben, und so wie Jesus sich während Chanukka als das Licht der Welt offenbarte, sind auch wir berufen, dieses Licht durch unser Leben sichtbar werden zu lassen.

Möge diese Zeit unsere Gemeinden und Kirchen nicht nur dazu führen, Weihnachten zu feiern, sondern auch die Freude von Chanukka, dem Fest der Einweihung, mitzuerleben. Denn wenn wir beides feiern, bekennen wir eine große Wahrheit: Der Gott, der sein Volk Israel bewahrt hat, ist in Jesus dem Messias zu uns gekommen – und sein Licht leuchtet bis an die Enden der Erde.

Das könnte dich interessieren...