Es mag ja einige Matzen-Liebhaber geben, aber für die meisten von uns sind Matzen bestenfalls passabel und schlimmstenfalls eine acht-tägige Plage. Wie ein Freund von mir es neulich ausdrückte: “Ich hasse Passah! Man muss essen, was man nicht mag, und man muss mit Verwandten zusammensitzen, die man nicht ausstehen kann.” Die Matze wird ja auch schließlich “Brot des Leidens” genannt...
Aber genug mit der Nörgelei. Um ehrlich zu sein: ich habe meine Matzen-Abneigung wahrscheinlich etwas übertrieben. Doch die Frage bleibt: “Warum essen wir in dieser Nacht nur Matzen?”
Weil unsere Vorfahren Ägypten so eilig verlassen mussten, dass sie nicht genug Zeit hatten, ihr Brot aufgehen zu lassen.
Natürlich kennen wir die übliche Antwort: “Weil unsere Vorfahren Ägypten so eilig verlassen mussten, dass sie nicht genug Zeit hatten, ihr Brot aufgehen zu lassen.” Aber ich bin sicher, dass es noch weitere Gründe gibt.
Wenn wir einen Blick in die Torah werfen, dann sehen wir, dass da ungesäuertes Brot mehrmals vorkommt, und zwar immer in Verbindung mit den Tempelopfern, die wir darbringen mussten. Wir sehen, dass Gott meistens speziell befiehlt, den Teig für Opfergaben nicht mit Treibmitteln, wie z. B. Hefe oder Sauerteig, zu mischen. (siehe Shemot / Exodus 23:18 und 34:25). Diese genaue Anordnung, zusammen mit der Anweisung, kein Fett zu essen, könnte leicht zu der Annahme führen, dass Gott merkwürdige Essgewohnheiten hat, und dass diese Anweisungen vielleicht ein Vorläufer der modernen veganen Diät sind. Aber ein einleuchtenderer Grund wäre, dass Gott versucht, uns durch diese Anordnungen etwas Wichtiges zu offenbaren.
Die Rabbis lehren, dass fermentierende Substanzen wie Sauerteig oder Hefe in der Heiligen Schrift durchgehend als Symbol für Sünde gebraucht werden (siehe zum Beispiel Berachot 17a und auch Rashi zu diesem Thema). Sünde ist, um es klar und einfach auszudrücken, alles Böse, das wir tun, sagen oder denken. Gottes Verbot gegen fermentierende Substanzen in unseren Opfergaben soll uns zeigen, dass wir Ihm nicht mit Sünde nahen sollen; Er erwartet, dass wir in Seiner Gegenwart rein und heilig sein sollen, so wie Er ist. Die genaue Anordnung für das Offenbarungszelt in der Wüste, zeigt uns, dass Gott unter uns wohnen will, dass Er jedoch zwischen Ihm selbst und uns einen entschiedenen Unterschied macht. Wir sollten niemals vergessen, dass Er ein heiliger Gott ist, der nichts Sündhaftes in Seiner Gegenwart dulden kann. Er sagt: “Ihr sollt heilig sein, denn Ich bin heilig” (Vayikra / Levitikus 20:25).
Wir sollten niemals vergessen, dass Er ein heiliger Gott ist
Das offensichtliche Problem ist aber, dass wir nicht heilig sind. Die meisten von uns denken, dass wir gute, gesetzestreue Staatsbürger sind. Manche von uns denken sogar, dass wir, was Gottes Ehrung betrifft, überdurchschnittlich sind. Das traditionelle rabbinisch-jüdische Verständnis von Sünde scheint diese Ansicht zu unterstützen. Die Rabbiner lehren uns, dass jeder Mensch zwei Neigungen hat, yetzer hara (eine Neigung zum Bösen) und yetzer hatov (eine Neigung zum Guten). Die Entscheidung, Gutes oder Böses zu tun, liegt folglich in unseren Händen. Wir sind im Wesentlichen gute Menschen, die manchmal in die Irre geführt werden und Schlechtes tun.
Der Tanach (das Alte Testament) gibt uns jedoch ein anderes Verständnis von Sünde. Die Torah und die restlichen Schriften konfrontieren uns mit unangenehmen Wahrheiten über das menschliche Wesen, nämlich dass wir nicht von Grund auf gut sind (und nur manchmal vom guten Weg abkommen). Stattdessen wird uns gesagt, dass wir selbst das Problem sind. Lesen wir z. B. diese Passage: “Der Herr sah, dass auf der Erde die Schlechtigkeit des Menschen zunahm und das alles Sinnen und Trachten seines Herzens immer nur böse war” (Bereshit / Genesis 6:5). Oder: “Der Herr blickt vom Himmel herab auf die Menschen, ob noch ein Verständiger da ist, der Gott sucht. Alle sind sie abtrünnig und verdorben, keiner tut Gutes, auch nicht ein einziger” (Tehilim / Psalm 14:2-3). Oder: “Aber nun sind wir alle wie die Unreinen, und alle unsre
Gerechtigkeit ist wie ein beflecktes Kleid. Wir sind alle verwelkt wie die Blätter, und unsre Sünden tragen uns davon wie der Wind” (Yeschayahu / Jesaja 64:5).
Unser Wesen an sich ist verunreinigt von Sünde, denn wir sind in diese Welt hineingeboren, als Nachkommen von Adam und Eva, die sich (und uns) in die Sklaverei der Sünde verkauften, indem sie Gott ablehnten und dem Rat der Schlange folgten. König David erkannte dies und rief aus: “Siehe, ich bin als Sünder geboren, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen (Tehilim / Psalm 51:7).
Weiterhin war das ganze Opfersystem der Torah, das uns in unserer modernen Welt so befremdlich und abscheulich vorkommt, dazu ausgerichtet, uns klar zu machen, dass wir nicht gut sind; wir mussten ständig Gott Opfer darbringen damit Er uns vergeben konnte, so dass wir uns Ihm nähern konnten. Ich kann mir vorstellen, dass der ständige Anblick von Blut und getöteten Tieren dazu beitrug, die Illusion eines fundamental guten menschlichen Wesens zu vertreiben.
Auch unsere moderne Welt bestätigt, was der Tanach über Gottes Verständnis unseres sündigen menschlichen Wesens berichtet. Man braucht nur die Schlagzeilen zu lesen, um zu verstehen, dass die Welt ein zerrütteter Ort ist, und das nicht nur wegen einiger “schlechter Äpfel.” Denk an die Shoah: die Tatsache, dass eine solche absolute Verworfenheit im 20. Jahrhundert, im “Land der Dichter und Denker” ausgeführt werden konnte, ist Beweis für die unverbesserliche Korruption der menschlichen Rasse. Und ob es uns passt oder nicht, sind wir damit einbezogen.
Der Begriff des Sauerteigs wird also von Gott in der Bibel gebraucht, um uns über Sünde zu belehren.
Der Begriff des Sauerteigs wird also von Gott in der Bibel gebraucht, um uns über Sünde zu belehren. Somit ist es eine gute Sitte, dass wir zur Passahzeit unser Haus von allem Sauerteig reinigen. Dieser Brauch ist das Symbol für unseren Wunsch, ein von Sünde geläutertes Leben zu führen. Und die Matze mahnt uns, dass Gott von uns erwartet heilig zu sein, wie Er es ist. Vielleicht ist die Millionen-Dollar-Frage nicht “Warum essen wir nur Matzen?”, sondern “Wie kann Gott von uns erwarten, heilig zu sein, und wie werden wir mit dem Problem der Sünde in unserem Leben fertig?”
Glücklicherweise enthält das Passahfest selbst die Antwort, und zwar unerwarteter Weise in den Symbolen von Matzenbrot und Lamm. Heutzutage essen wir nicht mehr Lamm zur Passahfeier, denn die Lämmer, die wir einst aßen, waren Opferlämmer, die auf dem Altar des Tempels in Jerusalem dargebracht werden mussten. Kein Tempel, kein Altar, kein Passahlamm. Und doch war das Lamm der zentrale Aspekt des ersten Passahs in Ägypten. Denn ohne das Opfer des Lamms, ohne dessen Blut an den Türpfosten, wären auch unsere Erstgeboren gestorben. Die Lämmer litten den Tod, anstelle unserer Erstgeborenen.
Einige tausend Jahre später würde ein anderes Passahlamm sterben, so dass wir leben können. Der Messias Yeschua gab Sein Leben für uns am Tag des Passahfestes und ging in den Tod “wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt” (Jesaja 53:7), so dass wir dem Zorn Gottes am “Tag des Herrn” entgehen können (Joel 2:1-2) und auf dass wir “das Leben haben und es in Fülle haben” (Yochanan / Johannes 10:10). Und noch mehr: Yeschua starb für uns, um uns von unserer korrupten Natur und unserer Sklaverei zur Sünde zu befreien; Sein Opfertod gab uns die Freiheit, ein sinnvolles, Gott-ehrendes Leben zu führen.
Während die Rabbis lehren, dass seit der Zerstörung des Tempels gute Werke das Sühneopfer ersetzen, lehrt die Torah etwas anderes. In Vayikra / Leviticus 17:11 lesen wir: “Die Lebenskraft des Fleisches sitzt nämlich im Blut. Dieses Blut habe Ich euch gegeben, damit ihr auf dem Altar für euer Leben die Sühne vollzieht; denn das Blut ist es, das für ein Leben sühnt.”
In anderen Worten: unsere Sünde verursachte den Tod – unseren eigenen Tod oder den eines Stellvertreters, in diesem Fall den eines Tieres, genau wie am ersten Passah. Gott hat dieses Gebot nie aufgehoben, und somit besteht es bis heute. Wir, die an Jesus glauben, erkennen, dass die Tieropfer in der Torah vorwärts weisen zum endgültigen Opfer des Messias, der ein für alle Mal die Sünde der Welt hinwegnehmen würde.
Manchmal wird Yeschua irrtümlicherweise als jüdischer Märtyrer dargestellt – als ein Lehrer, der versuchte, nachhaltige soziale Veränderung herbeizuführen, und der ermordet wurde weil Er den Status quo zu zerstören drohte. Jedoch lesen wir in der Brit Chadashah (im Neuen Testament), dass Yeschua genau wusste, was Seine Berufung war: nämlich Sein Leben am Passahtag hinzugeben für uns und für die ganze Menschheit. Er wusste, was geschehen würde und informierte Seine Talmidim (Jünger) darüber während Seines allerletzten Passahmahls.
Vielleicht würde Yeschua wirklich die Römer herausfordern und der Unterdrückung der Juden ein Ende bereiten.
Halte dir die Szene vor Augen: Aufregung, Spannung und Hoffnung war von den Gesichtern der Jünger abzulesen; alle Anwesenden fühlten, dass etwas Außergewöhnliches im Gange war. Vielleicht würde Yeschua wirklich die Römer herausfordern und der Unterdrückung der Juden ein Ende bereiten. Doch dann tat Er etwas Unerwartetes und Unverständliches. Wir lesen, dass Er nach dem Mahl den Becher in Seine Hände nahm, und zwar den dritten Becher, in der Passah-Liturgie “Becher der Erlösung” genannt, und sprach: “Dieser Becher ist der Neue Bund in Meinem Blut, das für euch vergossen wird” (Lukas 22:20). Danach lesen wir, dass Er Brot nahm und sagte: “Dies ist Mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu Meinem Gedächtnis!” (Lukas 22:19). Das Brot des Leidens, das Brot ohne Sauerteig, wurde zum Symbol für den Tod des Messias. Aber es ist gleichzeitig ein Symbol unserer Hoffnung. Wie Paulus, ein damaliger Anhänger von Jesus, es ausdrückt: “Er (Gott) hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in Ihm Gerechtigkeit Gottes würden” (2 Korinther 5:21). In anderen Worten: der ungesäuerte Messias wurde für uns gesäuert, damit wir die Ungesäuertheit Gottes werden können.
Bevor ich zum Glauben an Yeschua als Messias kam, führte ich ein ziemlich anständiges Leben. Sicher, ich war manchmal gemein oder gehässig und sagte auch nicht immer die Wahrheit, aber im Großen und Ganzen habe ich nichts Schlimmes verbrochen. Keine Morde. Kleine kindliche Stehlereien vielleicht, kurz, Bagatellen. Und trotzdem wurde mir auf einmal bewusst, dass ich, obwohl ich gegen keine staatlichen Gesetze verstoßen hatte, Gottes Vergebung brauchte. Ich kam zu der Einsicht, dass ich nicht heilig war – in der Tat das Gegenteil davon. Ich erkannte, dass ich ein Sklave der Sünde war, und dass ich jemanden brauchte, der mir vergeben und mich von Sünde befreien konnte. In den Worten Yeschuas: “Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wer die Sünde tut, ist Sklave der Sünde … wenn euch also der Sohn befreit, dann seid ihr wirklich frei” (Yochanan / Johannes 8:34, 36).
Ihr seid ja schon ungesäuertes Brot; denn Christus (Messias) ist als unser Passahlamm geopfert worden.
Das rabbinische jüdische Verständnis von Sünde mag uns tröstend erscheinen, aber in Wirklichkeit ist es ein leerer Trost. Denn nur durch den Messias können wir wirklich mit unserem Sündenproblem zurechtkommen. Wiederum drückt Paulus es am besten aus: “Schafft den alten Sauerteig weg, damit ihr neuer Teig seid. Ihr seid ja schon ungesäuertes Brot; denn Christus (Messias) ist als unser Passahlamm geopfert worden. Lasst uns also das Fest nicht mit dem alten Sauerteig feiern, nicht mit dem Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit den ungesäuerten Broten der Aufrichtigkeit und Wahrheit (1 Korinther 5:7-8).
Also vielleicht ist Pessach doch nicht so langweilig wie mein Freund meinte. Und vielleicht hat das Gebot, diese acht Nächte Matzen zu essen, doch eine wichtige Bedeutung und einen Zweck. Nicht als Ansporn, uns mehr anzustrengen nicht zu sündigen, sondern als Erinnerung daran, dass jemand schon die Sünde für uns auf sich genommen hat. Dieses Passahfest, wenn wir unsere Häuser von Sauerteig reinigen, warum nicht unseren Messias Yeschua bitten, unser Herz von Sauerteig zu reinigen?