Rosch ha-Schana

Rosch ha-Schana ist eine Zeit, um zurückzuschauen und nach vorne zu blicken. Hier ist ein Leitfaden, der dir dabei auf sinnvolle Weise helfen kann.

Rosch ha-Schana Kurzinformationen

Hebräische Bedeutung des Namens: „Kopf des Jahres“

Deutscher Name: Fest der Posaunen oder das Posaunenfest

Datum im jüdischen Kalender: 1.–2. Tischri

Dauer: Zwei Tage in der Diaspora, ein Tag in Israel

Eingeführt: 3. Mose 23,23–25; 4. Mose 29,1

Bedeutung von Rosch ha-Schana

Rosch ha-Schana, wörtlich „Haupt des Jahres“, ist einer von vier Neujahrsfesten im jüdischen Kalender und das de facto „Jüdische Neujahr“. Es ist der erste der beiden Hohen Feiertage, die in 3. Mose genannt werden (Jom Kippur ist der zweite). Rosch ha-Schana ist zugleich ein freudiges Fest und eine Zeit der ernsthaften Reflexion.

Ursprünglich ein „Gedächtnis des Posaunenblasens“, hat Rosch ha-Schana traditionell die Bedeutung eines „Tages des Gerichts“ angenommen. Das Fest – und die Zehn Tage der Ehrfurcht, die zwischen ihm und Jom Kippur liegen – bieten die Gelegenheit, vergangenes Unrecht wiedergutzumachen und sich auf das neue Jahr vorzubereiten.

Ursprung von Rosch ha-Schana

In 3. Mose 23,23–25 setzte Gott einen Tag ein, der durch das Blasen der Posaunen gefeiert werden sollte. In 4. Mose 29,1 wird er Jom T’ruah, „Tag des Posaunenblasens“, genannt. Dies ist die einzige Stelle im Tanach (den Hebräischen Schriften), wo dieser Name verwendet wird.

Und der Herr redete zu Mose und sprach: Rede zu den Söhnen Israel und sprich: Im siebten Monat, am Ersten des Monats, soll euch Ruhe sein, ein Gedächtnis des Posaunenblasens, eine heilige Versammlung. Keinerlei Dienstarbeit sollt ihr tun, und ihr sollt dem Herrn ein Feueropfer darbringen. (3. Mose 23,23–25)

Diese heilige Versammlung bildete die Grundlage dessen, was wir heute als Rosch ha-Schana kennen. Der Klang der Posaunen rief das Volk zur Anbetung und erinnerte an die Feierlichkeit des Tages.

Über viele Jahre geriet dieser Gedenktag jedoch in Vergessenheit, wie wir im Buch Nehemia sehen.

Die Kapitel 8 und 9 im Buch Nehemia berichten, dass sich am ersten Tag des siebten Monats (Tischri) die Israeliten am Wassertor in Jerusalem versammelten, um den Leviten (Mitglieder des priesterlichen Stammes) zuzuhören. Esra, der Schriftgelehrte, öffnete die Schriftrolle der Tora und las daraus vor. Die Israeliten weinten, als sie ihn hörten, denn sie hatten so lange in Unwissenheit gelebt, dass sie die Gebote der Tora nicht mehr kannten.

Beachte, dass dies noch als der siebte Monat galt, nicht als Neujahr. Nehemia betonte die Freude des Tages, ein Aspekt, den er bis heute beibehalten hat.

Und [Nehemia] sprach zu ihnen: „Geht hin und esst das Fett und trinkt süßen Wein und gebt den Bedürftigen davon, denn dieser Tag ist dem HERRN heilig. Und seid nicht betrübt; denn die Freude am HERRN ist eure Stärke.“ So beruhigten die Leviten das ganze Volk und sprachen: „Seid still, denn dieser Tag ist heilig; seid nicht betrübt.“ (Nehemia 8,10–11)

Irgendwann wurde der Tag als erster Monat anerkannt, nicht mehr als siebter, und wurde als Rosch ha-Schana bekannt, ein Ausdruck, der in Hesekiel 40,1 erscheint. Wann dies geschah, ist unbekannt. Einige vermuten, dass Nisan das zivile Neujahr blieb und Tischri das religiöse Neujahr. Heute wird als „Posaune“ das Widderhorn (Schofar) verwendet. Als Neujahrstag vereint der Tag die Freude, die Nehemia betonte, mit Umkehr und Gericht, die an Jom Kippur ihren Höhepunkt erreichen.

Traditionen

Wir blasen das Schofar und essen Äpfel mit Honig – aber warum? Hier ist ein kurzer Überblick über die Rosch-ha-Schana-Traditionen, was sie bedeuten und warum wir sie tun!

Aschkenasische Traditionen

Viele jüdische Menschen verbringen den Monat Elul, der unmittelbar Rosch ha-Schana vorausgeht, im Gebet und in der Vorbereitung auf die Zeit der Hohen Feiertage. Dies gilt als die richtige Zeit, um vergangenes Unrecht wiedergutzumachen und das Herz zu Gott zuzuwenden (d. h. Umkehr, Teschuwa).

Ein zentrales Element von Rosch ha-Schana selbst ist das Blasen des Schofars. Das Schofar ist das Horn eines Widders, dessen verschiedene Töne die Seele unseres Volkes ausdrücken — unsere Verzweiflung, unsere Buße, unsere Hoffnung, unsere ernste Erwartung. Da der Zweck des Schofars in der Schrift nicht ausdrücklich angegeben ist, können wir darin eine Vielzahl von Bedeutungen finden.

Während des Rosch-ha-Schana-Gottesdienstes wird das Schofar in einer festgelegten Reihenfolge geblasen, insgesamt schließlich 100 Töne. In jedem Zyklus des Blasens folgt auf die Tekiah, einen langen Ton, der ursprünglich im Kampf als Appell zum Waffengang verwendet wurde, das galoppierende Shevarim (wörtlich „gebrochen“) — drei schluchzende Laute, die uns an unseren sündhaften, zerbrochenen Zustand erinnern. Dann folgt die Teruah, neun kurze, stakkatoartige Laute, und dann schließt der Zyklus der Töne mit der langen, klagenden Tekiah Gedolah.

Das Schehechejanu1 (ein Gebet für besondere Anlässe, in dem Gott gedankt wird, „daß er uns zu dieser Zeit gebracht hat“) wird am ersten und zweiten Tag von Rosch ha-Schana gesprochen. Um das zweite Aussprechen dieses Gebetes zu rechtfertigen, ist es zur Tradition geworden, neue Kleidung anzuziehen oder neue Speisen zu essen, damit wir etwas „Neues“ haben, wofür wir Gott danken können. Jüdische Menschen bereiten oder kaufen zu Rosch ha-Schana üblicherweise runde Challot, um das „Abrunden“ des Jahres zu feiern, und manchmal wird die Challah in Mustern geflochten, wie Kronen (als Symbol für Gottes Königsherrschaft) oder Leitern (als Symbol für die Verbindung von Himmel und Erde am Tag des Gerichts).

Wir tauchen die Challah in Honig, denn an diesem Tag feiern wir ein gutes und süßes neues Jahr (l’shana tova umetukah), zusammen mit Äpfeln, die in Honig getunkt werden. Äpfel bedeuten Rundheit und damit Wiederkehr — das erneute Drehen des Jahreszyklus — sowie unsere Rückkehr zum Herrn (Teschuwa oder „Buße“) und die Hinwendung des Herrn in Erbarmen zu seinem Volk.

An Rosch ha-Schana grüßt man einander mit „l’shana tova tikatevu“ („Mögest du für ein gutes Jahr eingeschrieben werden“). Häufig wird es einfach zu „Shana tova“ verkürzt. Das „Einschreiben“ bezieht sich auf das Buch des Lebens, in das, so heißt es, unsere Namen an Rosch ha-Schana eingetragen und an Jom Kippur für das kommende Jahr „versiegelt“ werden. Diese Worte erscheinen oft auf dekorativen Grußkarten, die es zur Gewohnheit geworden sind, zu Rosch ha-Schana zu verschicken. Gewöhnlich verschickt man Grußkarten etwa eine Woche vor Rosch ha-Schana bis ungefähr eine Woche danach, und man wünscht Freunden und Familie Gesundheit und Wohlstand im neuen Jahr.

Die Tradition des Taschlich hat unter jüdischen Menschen lange Beliebtheit genossen — und es ist nicht schwer zu verstehen, warum. Beim Taschlich versammeln sich Gruppen in der Nähe eines fließenden Gewässers: nach Möglichkeit an einem Fluß oder Bach; in trockenen Gegenden genügt ein Teich oder ein Brunnen. Dann leeren alle Versammelten ihre Taschen ins Wasser oder werfen Brot hinein. Das ins Wasser geworfene Brot bedeutet unsere vergangenen Sünden und Verfehlungen, eine Handlung, die von einem Vers im Buch Micha inspiriert ist: „Du wirst alle ihre Sünden in die Tiefen des Meeres werfen.“ (Micha 7,19).

Sephardische Traditionen

Einige sephardische Juden servieren eine Reihe symbolischer Vorspeisen beim Festmahl. Diese Speisen können von Gemeinde zu Gemeinde variieren. Die gesamte Reihe wird Yehi Ratzon genannt („Es sei [Gottes] Wille“). Jede Speise nutzt ein Wortspiel, um die Hoffnung auszudrücken, dass Gott uns ein gesegnetes Jahr gewähren wird. Einige der Vorspeisen beinhalten ein spezielles Gebet oder einen Segen, der vor dem Essen gesprochen wird.

Schwarzaugenbohnen werden auf Aramäisch Ruvia genannt. Ruvia ähnelt dem hebräischen Wort Rov, was „mehr oder viele“ bedeutet. Bockshornklee wird ebenfalls Ruvia genannt, was mit Irbu („wird sich mehren“) assoziiert werden kann. Der Segen hierfür lautet: Yehi ratzon milfanecha Adonai Eloheinu she’yirbu zechuyotenu („Es sei dein Wille, HERR, unser Gott, dass sich unsere Verdienste mehren“).

Kürbis oder Kürbisgewächse werden auf Aramäisch und Hebräisch Qara genannt. Qara kann „lesen oder ausrufen“ bedeuten, aber auch „zerreißen oder zertrennen“. Der Segen lautet: Yehi ratzon milfanecha Adonai Eloheinu she yeekorah g’zar dee’neinu ve yeekaroo lefahnecha zechuyoteinu („Es sei dein Wille, HERR, unser Gott, dass unsere harten Urteile zerrissen und unsere Verdienste vor Dir verkündet werden“).

Lauch wird auf Aramäisch Karsi genannt, verwandt mit dem hebräischen Karet, was „abschneiden, zerstören“ bedeutet. Begleitet wird er von einem Gebet zu Gott, unsere Feinde abzuschneiden: Yehi ratzon milfanecha Adonai Eloheinu she yeekartu soneinu („Es sei dein Wille, Herr, unser Gott, dass unsere Feinde abgeschnitten werden“).

Datteln Datteln heißen auf Aramäisch Tamri, was „beenden“ bedeutet. Das Gebet über die Datteln drückt die Hoffnung aus, dass unsere Feinde ihre Feindschaft beenden: Yehi ratzon milfanecha Adonai Eloheinu she yitamu oyevenu („Es sei dein Wille, Herr, unser Gott, dass unsere Feinde enden“).

Rote Bete auf Aramäisch Silka, ähnelt im Klang dem hebräischen Wort Siluk, das „Entfernung“ bedeutet. Wir beten, dass unsere Feinde entfernt werden: Yehi ratzon milfanecha Adonai Eloeinu she istalku oyevenu („Es sei dein Wille, Herr, unser Gott, dass unsere Feinde entfernt werden“).

Granatäpfel sollen 613 Kerne haben, entsprechend der Zahl der Gebote in der Tora. Zu Rosch ha-Schana wird ein frischer Granatapfel gegessen, dem dieses Gebet vorangeht: Yehi Ratzon Mil’fa’necha, Adonai Eloheinu she nirbeh zechuyot ke rimon („Es sei dein Wille, Herr, unser Gott, dass sich unsere Verdienste mehren wie die Kerne des Granatapfels“).

Darüber hinaus ist es eine sehr alte Tradition, den Kopf eines Widders zu backen und auf den Tisch zu legen. Dies soll den Wunsch der Festteilnehmer symbolisieren, führend und nicht folgend zu sein. Dieses Symbol erinnert auch daran, dass Gott Abraham erlaubte, Isaak durch einen Widder in der Geschichte der Akedah (1. Mose 22, auch bekannt als „Die Bindung Isaaks“) zu ersetzen. In einigen sephardischen Gemeinden symbolisierte der Kopf eines Fisches oder Hahns diese Hoffnung. Der Segen lautet: Yehi Ratzon Mil’fa’necha, Adonai Eloheinu she niyeh ke rosh velo ke zanav („Es sei dein Wille, HERR, unser Gott, dass wir Haupt und nicht Schwanz sein werden“).

Synagogale Lesungen

Die synagogalen Lesungen für Rosch ha-Schana beginnen mit dem Tora-Abschnitt. Der Maftir ist ein abschließender Tora-Abschnitt, der vor der Haftara gelesen wird. Die Haftara ist ein Abschnitt aus den historischen oder prophetischen Büchern der Hebräischen Bibel, der in irgendeiner Weise dem Tora-Abschnitt entspricht.

Erster Tag:

Tora-Abschnitt: 1. Mose 21 (Sara wird schwanger)

Maftir: 4. Mose 29,1–6

Haftara: 1. Samuel 1,1–2,10 (Hanna wird schwanger)

Zweiter Tag:

Tora-Abschnitt: 1. Mose 22 (Abraham wird angewiesen, Isaak zu opfern)

Maftir: 4. Mose 29,1–6

Haftara: Jeremia 31,1–19

Wie der zunehmende und abnehmende Mond hat sich die Beziehung Gottes zu seinem Volk im Laufe der Zeit verändert, je nach dem Gehorsam oder der Rebellion Israels. Unser Volk hat versucht, dieses zyklische Muster in den jüdischen Kalender einzubauen. Der Fasttag Tischa B’Av wird gewöhnlich als der traurigste Tag des Jahres angesehen. Der Sommerfasttag Tischa B’Av wird gewöhnlich als der traurigste Tag des Jahres angesehen. Tu B’Av, der jüdische Tag der Liebe, markiert eine Veränderung im Ton. Bis Elul (August–September) nimmt das Verlangen des Volkes nach Gott und die Wertschätzung seiner Gnade zu, bis diese Liebe an Rosch ha-Schana ihren Höhepunkt erreicht – einem Tag des Jubels und des Lobes für Gott, den König.

Aus diesem Grund beschäftigen sich die Tora- und Haftara-Abschnitte am ersten Tag von Rosch ha-Schana mit unfruchtbaren Frauen, die empfangen – Ereignisse, die die Liebe Gottes auf besondere Weise zeigen. Sara fand Gnade beim Herrn und wurde mit einem Kind, Isaak, gesegnet, einem der Erzväter des jüdischen Volkes. Hanna, die den Herrn inständig anflehte, ihr ein Kind zu geben, und versprach, ihn seinem Dienst zu weihen, gebar Samuel, einen der Propheten Israels. Der Herr belohnt die, die treu und beharrlich beten. Wer von Herzen ruft, dessen Gebet hört und erhört er. „Der Herr ist gütig gegen die, die auf ihn warten, gegen die Seele, die ihn sucht“ (Klagelieder 3,25).

Nach rabbinischer Tradition erklärt der Tora-Abschnitt des zweiten Tages (1. Mose 22) die Bedeutung des Schofars. In diesem berühmten Abschnitt, der Akedah genannt wird, befiehlt Gott Abraham, seinen Sohn Isaak als Opfer darzubringen. Gerade als Abraham ihn zum Opfer darbringen wollte, griff der Herr ein und sagte ihm, dass er es nicht tun solle. Abraham fand einen Widder in der Nähe und opferte ihn anstelle seines Sohnes. So wurde der Widder – und mit ihm sein Horn, das Schofar – zu einem Symbol für die Barmherzigkeit des Herrn.

[1] Die Website von Reform Judaism bietet eine Seite, auf der das Gebet „Schehechejanu“ angesehen und heruntergeladen werden kann.

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