Nein! Es ist eine sehr häufig anzutreffende falsche Darstellung, dass, während Juden an einen Gott glauben, Christen an drei glauben. Tatsache ist, dass das Christentum genauso streng monotheistisch ist wie der Judaismus. Christen glauben, dass ein Gott existiert in einer Art, wie es der begrenzte Mensch nie ganz verstehen kann: in drei Personen oder Persönlichkeiten. Dieser Glaube basiert nicht auf philosophischen Argumenten, sondern auf den Schriften – auf beiden, dem Alten Testament und dem Neuen Testament.
Wir bestätigen, dass die Hebräische Bibel die Einheit GOTTES lehrt. Die Hauptbeteuerung des jüdischen Volkes ist immer das Sch’ma gewesen: “Höre Jisrael! Der Ewige ist unser Gott; der Ewige ist Einer.” Aber zusammen mit der Betonung der Einheit Gottes gibt es eine Reihe von Hinweisen, dass er zur gleichen Zeit irgendwie mehr ist als Einer.
Einer der Hinweise ist in der Häufigkeit, mit der im Bezug auf GOTT Pluralformen von Namen und Wörtern gebraucht werden. Das geläufige hebräische Wort für GOTT, Elohim, steht selbst der Form nach im Plural. Die Einzahl von Elohim, nämlich Eloah, wird zehnmal weniger gebraucht als die Pluralform. Pluralformen von Verben werden manchmal mit dem Namen Elohim verwendet, wie im ersten Buch Mose 20, 131. Pronomen in der Pluralform werden zuzeiten auch von GOTT benutzt, wenn Er Sich auf Sich selbst bezieht, wie im ersten Buch Mose 1, 262. Andere Beschreibungen GOTTES können manchmal im Plural gefunden werden, was nicht immer in unseren deutschen Übersetzungen deutlich wird (z. B. im Prediger Salomo 12, 13 oder in Jesaja 54,54).
Noch verblüffender ist genau das Wort, das in dem Sch’ma gebraucht wird, um die Einheit GOTTES zu proklamieren: “echad“. Dieses Wort berücksichtigt eine Pluralität oder Vielfalt innerhalb der Einheit. Dies kann an mehreren Textstellen besonders deutlich gemacht werden. Im ersten Buch Mose, 1, 5 und 1. Mose 2, 24, im Buch Esra 2, 64 und im Propheten Hesekiel 37, 175 ist die Einheit das Ergebnis des Zusammenschlusses von Abend und Morgen, Mann und Frau, der individuellen Glieder zu einer Gemeinschaft bzw. von zwei Stöcken. Es gibt jedoch ein anderes Wort im Hebräischen, um eine untrennbare Einheit zu beschreiben, nämlich “yachid“. So kommt es, dass der Gelehrte Maimon6, als er seine berühmten dreizehn Glaubensartikel verfasste, “echad” durch “yachid” ersetzte, als er die Wesensart GOTTES beschrieb. Seitdem ist die Vorstellung von einer unteilbaren Einheit GOTTES im Judaismus gehegt worden; nichtsdestoweniger gibt die Bibel reichlich Beispiele, die zeigen, dass es eine Vielfalt innerhalb von GOTTES Einheit gibt.
Der Sohar, das Grundlagenbuch der jüdischen Mystik, erkannte an, dass die Idee von einer Vielfalt-in-der-Einheit dem jüdischen Denken nicht fremd ist. Während die Idee der mittelalterlichen Mystik sich von der christlichen Idee der Dreieinigkeit unterscheidet, behauptet sich die grundlegende Vorstellung von der Pluralität innerhalb des einen GOTTES nach wie vor. Die Textpassage aus dem Sohar, die sich auf das Sch’ma bezieht, lautet folgendermaßen:
Höre, Israel, JHWH Elohenu JHWH ist Einer
Diese drei sind Einer. Wie können diese drei Namen Einer sein? Nur durch die Erkenntnis des Glaubens: Mit dem Sehvermögen des Heiligen Geistes, allein in dem Erblicken der versteckten Augen. Das Geheimnis der hörbaren Stimme ist diesem ähnlich, denn obgleich es eine ist, besteht sie dennoch aus drei Elementen: Feuer, Luft und Wasser, welche jedoch eins werden in dem Geheimnis der Stimme. Immerhin geschieht es durch das Geheimnis der dreifaltigen GÖTTLICHEN Manifestationen, die JHWH Elohenu JHWH bestimmte – drei Arten, die jedoch eine Einheit formen.7
Tatsächlich gibt es, außer GOTT selbst, zwei andere Persönlichkeiten in den Hebräischen Schriften, die dargestellt werden als anders, dennoch irgendwie gleich mit GOTT. Diese anderen beiden sind der Engel des HERRN und der Geist GOTTES oder der Heilige Geist. Der Engel des Herrn wird mehrmals erwähnt, aber wird er auch mit GOTT selbst gleichgesetzt; beispielsweise in 1. Mose 16, 7 und 16, 13 wird Er der Engel des HERRN bzw. dann der HERR genannt8. Ein anderes Beispiel findet sich in 1. Mose 22, 11-12. Dieses besondere Individuum ist beides, verschieden von und doch gleichgesetzt mit GOTT selbst9.
Dann ist da der Geist GOTTES. Von GOTTES Geist wird in den Schriften als von einer eigenen Persönlichkeit gesprochen, doch gleichgesetzt mit GOTT. Entsprechende Textstellen enthalten das erste Buch Mose, Kapitel 1, Vers 2, Psalm 51, 13, Jesaja 11, 210.
Weil Israel im Altertum von Anhängern der Vielgötterei umgeben war und dazu neigte, den Götzendienst dieser Nationen aufzunehmen, betonten die Hebräischen Schriften die Einheit GOTTES mehr als Seine “Drei-Einheit”. Aber in den Tagen des Neuen Testaments, als Götzendienst nicht mehr länger ein Problem in Israel war, wurde die Vorstellung von GOTTES “Drei-Einheit” in den Schriften deutlicher dargelegt. Die drei erwähnten Persönlichkeiten werden im Neuen Testament dargestellt als GOTT der Vater, GOTT der Sohn (der Messias, Jesus) und GOTT der Geist – doch all dies, ohne die grundlegende Bedeutung des Sch’ma einzuschränken: “Höre, Jisrael! Der Ewige ist unser GOTT, der Ewige ist Einer”, eine Beteuerung, die Jesus selbst als “das wichtigste Gebot11” bezeichnete.
Sie können Einspruch erheben: “Aber glauben Christen nicht, dass Jesus GOTTES Sohn ist? Aber wenn Jesus GOTT ist, wie kann Er der Sohn GOTTES sein? Seht ihr, ihr macht einen Menschen zu GOTT, und außerdem: GOTT hat keinen Sohn!”
Wieder nicht wahr! In 2. Mose 4, 22-23 wird Israel GOTTES “Sohn”12 genannt. Auf den König von Israel wird Bezug genommen als auf GOTTES “Sohn” in 1. Chronik 17, 1313. Dass der Messias auch GOTTES Sohn sein würde, wird auch im Talmud dargelegt:
Die Rabbanan lehrten: Der Heilige, gepriesen sei er, wird zum Messias, dem Sohne Davids, der gar schnell, in unseren Tagen, erscheinen wird, sprechen: Verlange etwas von mir, und ich will es dir gewähren. Denn es heißt [Psalm 2, 7-8] ich will den Beschluss kundtun [dass der HERR zu mit gesagt hat: ‘Du bist mein Sohn, ich habe dich heute gezeugt;] Verlange von mir, so will ich dir die Völker zum Erbe geben14.
Die Vorstellung in den Schriften ist nicht, dass ein Mensch GOTT wurde – GOTT bewahre -, sondern dass der Messias selbst GOTT sein würde, der als ein Mensch kommt. Jesaja 9, 6 beschreibt das Kommen des Messias mit den folgenden Worten: “Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter, und er heißt Wunderbar, Rat, Kraft, Held, Ewig-Vater, Friedefürst”. Aber wenn GOTT tatsächlich eine “Drei-Einheit” ist, dann ist beides für den Messias möglich: GOTT genannt zu werden und auch in einer Beziehung zu existieren, die als “Sohn GOTTES” charakterisiert wird. Dies ist die Folgerung, zu der wir “Juden für Jesus”, die wir an Jesus glauben, kommen, wenn wir die Schriften studieren. Gemeinsam mit unseren jüdischen Geschwistern beteuern wir, dass “der HERR unser GOTT, der HERR Einer ist” – eine Einheit, die von der “Drei-Einheit” gekennzeichnet ist.